Stubsi´s Ende gut alles gut

Ich hatte sie als kleines Igelmädchen im Winter draußen gefunden, hochgepäppelt und in der sicheren Garage in den Winterschlaf gelegt.

Sie liebte kuscheln auf dem Sofa.

Genau wie das Relaxen im Ausgang ihrer Box.

Und so lange wie möglich entspannt in „ihrer“ Waage liegen.

Das Baden gegen einen Pilz den sie sich mal eingefangen hatte hingegen, war nicht ganz so toll. 

Im Frühling, nachdem sie ihr ursprüngliches Gewicht wieder erreicht hatte, durfte sie, mit einer kleinen Markierung hinter dem Ohr, in ihre Freiheit. Von da an kam sie jeden Abend zu meiner Futterstelle.

Im Jahr darauf erschien sie immer um die Mittagszeit. „Komisch“ dachte ich zuerst, nahm sie hoch um zu schauen ob sie auch wirklich unverletzt war. Da sah ich, dass ihre Zitzen etwas frei von Fell waren. Bei Igeln sieht man es eigentlich so gut wie gar nicht, aber hier gab es keinen Zweifel, Stubsi hatte Baby´s. Ich freute mich natürlich sehr und war doch verwundert, dass sie am hellerlichten Tag an der Futterstelle aufkreuzte. Es konnte nur einen Grund haben. Sie hatte Hunger. Also bekam sie etwas zu Essen und frisches Wasser, was tagsüber normalerweise dort nicht steht.

Während der Säugezeit kam sie nun jeden Mittag recht pünktlich gegen 13h an die Futterstelle und wollte eine Extraportion Futter haben und sich etwas von ihren Baby´s ausruhen. Also stellte ich ihre Winterschlafbox ins Gartenhaus, das sich direkt neben der Futterstelle befindet. Und jeden Mittag setzte ich sie dort hinein und sie bekam ihr extra Portion Futter und frisches Wasser. Am liebsten, und das war immer noch so, wie zu der Zeit, als sie noch Baby war: Hähnchenschenkel und Gourmet-Huhn Pastetenfutter.

Nach dem Essen schlief sie tief und fest ein. 2 Stunden später schlief sie immer noch, sodass ich sie wecken musste, damit sie ihre Baby´s wieder versorgen konnte.

Einige Zeit darauf, brachte sie ihre kleine Familie mit an die Futterstelle. Was für eine Freude und bis jetzt, war auch mit den 2 Baby´s scheinbar alles gut gegangen.

Einige Wochen darauf, ihre Kleinen hatten das Nest verlassen, es war auch noch keine Winterschlafzeit, kam meine Stubsi nicht mehr. Über eine Woche lang verbrachte ich meine Abende und die halben Nächte an der Futterstelle, aber keine Stubsi kam.

In der 11. Nacht hatte meine Kamera ein schreckliches Video aufgenommen. Ein Igel krabbelte in eine der Futterboxen. Der Igel sah aus, als hätte er an der rechten Seite einen Flügel abstehen! Die Aufnahme war nachts entstanden und deshalb in schwarz/weiß, nicht besonders gut erkennbar. Ich weiß nicht mehr wie oft ich mir dieses Video angeschaut habe. Es war so schrecklich! An dem Abend, nachdem ich morgens das Video entdeckt hatte, wollte ich gerade die Futternäpfe aufstellen, als der verletzte Igel erschien. Ich weiß es noch wie heute es war 18 Uhr.

Die rechte Seite klaffte auf und es sah wirklich so aus, als hätte der Igel einen Flügel. Die Wunde schien von einem Mähroboter, oder einer Tellersense oder ähnlichem Gartengerät zu sein.

Als ich den Igel auf den Arm nahm, sah ich die Markierung hinter ihrem linken Ohr. Es war meine Stubsi!!!

Ich war ohnmächtig vor Sorge und Angst um sie.

„Schnell rein ins Haus mit ihr“, dachte ich nur. Zuerst bekam sie Schmerzmittel. Bei einem Bad in Kamillosan konnte ich Schmutz, Eiter, Fliegeneier und Fliegenmaden entfernen.

Als nächstes, es war nun schon 22h, rief ich bei meinem Tierarzt Rainer Freers aus Bienenbüttel an, der Gott sei Dank immer für mich da ist. Egal wann und zu welcher Zeit. Wir trafen uns in der Praxis und eine Operation begann, die über 1 ½ Stunden dauern sollte. Der sogenannte „Flügel“ musste entfernt werden. Dann sahen wir das Dilemma. Die Wunder war doch viel größer als gedacht und erstreckte sich nun fast über die ganze rechte Seite. Nochmals wurde alles mehrfach gespült, bevor er die Wunde zunähte. Er musste die Bauchdecke bis hoch zu dem oberen Wundrand ziehen, legte er 2 Drainage Schläuche ein. Als Stubsi wieder wach war, bekam sie noch Antibiotika gespritzt.

Herr Freers machte mir nicht allzu große Hoffnungen, dass sie es schaffen würde, weil die Verletzung einfach zu groß war und wie sollten sich bei so einer Wunde wieder Stacheln bilden?

Stubsi musste 2x täglich, mit Hilfe von ProntoVet durch die Schläuche gespült werden. Das war jetzt meine Aufgabe.

Aber sie war eine Kämpferin, sie wollte leben und gab nicht auf. Auch die Spülungen ließ sie sich ganz brav gefallen. Nach schon 2 Wochen reichte es die Wunde nur noch 1x täglich zu spülen und bald war sie über den Berg. Sie hatte es tatsächlich geschafft!

Am Tag, bevor wir wieder einmal zu „Doc“ Freers mussten, diesmal um die Schläuche zu ziehen, hatte Stubsi sich bereits eines der beiden entledigt. Es lag mitten in ihrer Box. …ein gutes Zeichen.

Nachdem der 2. Schlauch auch entfernt war, heilte die Wunde den Umständen entsprechend schnell, aber sie war eben riesig groß und das dauerte.

So konnte Stubsi den Winter über leider keinen Winterschlaf halten und stand mit ihrer Box im warmen Haus. Kam aber täglich zum Laufen und kuscheln aus ihrer Box und machte das Haus und das Sofa unsicher. Am liebsten schlief sie unter meinen Haaren.

Erst Mitte des darauffolgenden Jahres konnte sie wieder, schweren Herzens, in ihre Freiheit zurück.

Seitdem ist sie nach wie vor jeden Abend an den Futterplätzen und hat nun schon das stolze Alter von 7 Jahren (2018) erreicht. Ein Igel wird in Freiheit, ohne Futterstelle, nur 2 bis 3 Jahre, in seltenen Fällen 5 Jahre alt.

Im Folgejahr nach Stubsi´s Verletzung rief mich eine Nachbarin. Sie hatte im Garten, unter einem Tisch der an einem Schuppen lehnte, sauber machen wollen, als sie, nach ihrer Aussage, ein komisches Tier sah und mich gerufen. Als ich unter dem Tisch das gesammelte Laub und Moos zur Seite schob lag ganz hinten in der Ecke ein eingerollter Igel. Vorsichtig nahm ich ihn hoch und zu meinem Erstaunen sah ich gleich die bewegliche Nase, die sich nach meinem Geruch zu erkundigen schien. Im gleichen Moment rollte sich der Igel aus und schaute mich keck, mit 4 ausgestreckten Beinchen, an. Hinter dem linken Ohr konnte ich einen roten Punkt entdecken. Es war meine Stubsi, die bei meiner Nachbarin, direkt gegenüber meines Grundstücks, eingezogen war. Sie hatte mich offensichtlich sofort erkannt/gerochen und ausgerollt. Da soll noch jemand sagen, Igel können sich nichts merken, weil sie einen viel zu kleinen Kopf, und damit ein viel zu kleines Gehirn, haben.

Als ich sie mir näher anschauen wollte, um zu sehen ob alles mit ihr in Ordnung ist, beugte sie sich vor und biß mir ganz vorsichtig in den Unterarm, als wolle sie sagen: „Och nee, nicht wieder einfangen, mit mir ist alles obay, lass mich runter.“

Ich musste lachen, knuddelte sie noch einmal und setzte sie wieder in ihr Nest.

Ich hoffe, dass sie auch in diesem Jahr (2019) nach dem Winterschlaf wieder zum Essen kommt und mir noch lange erhalten bleibt.

Von der einstigen Wunde ist übrigens nichts mehr zu sehen. Im ersten Jahr nach der Verletzung, sah man noch ein bisschen Haut, kleiner als ein 1 Cent Stück. Heute, wie gesagt, ist alles wieder mit Stacheln bedeckt. Danke! …„Doc Freers!!!