Die Geschichte von Pippse, Puppse, Pepe und Pipita

Es ist schon eine Weile her, aber da die Geschichte so einzigartig ist, möchte ich sie euch nicht vorenthalten.

Eines Nachmittags bekam ich einen Anruf von einer Igelfreundin, die berichtete das sie einen Anruf von der tierärztlichen Hochschule Hannover erhalten habe, ob sie 4 Igelbaby´s übernehmen könne. Da ihre Pflegestation aber keine Kapazitäten mehr frei hatte, bat sie mich um die Übernahme der 4 Baby´s.

Am nächsten Tag machte ich mich gleich auf den Weg nach Hannover, bepackt mit Isoliertasche, kuscheligen Handtüchern, Wärmepads, Ersatzmilch von Royal Canin Dogmilk, Lactase Kapseln und was man noch so alles für Baby´s braucht.

Die Kleinen waren noch so winzig und soo süß.

Die andere Seite der Medaille zeigte sich dann in den nächsten Wochen. Denn die kleinen Baby´s mussten Tag und Nacht alle 2 Stunden ihre Mahlzeit bekommen. Das hieß, wenn ich das letzte Baby fertig gefüttert hatte, konnte ich schon eine halbe Stunde später, wieder mit dem 1. Baby anfangen.

Das war ziemlich Kräfte zehrend, aber auch schön anzusehen, wie sie wuchsen und immer mehr auf die Beinchen kamen. Bald erkannten, oder besser gesagt er-rochen sie mich schon von weitem und piepsten ganz aufgeregt, wenn ich zum Füttern kam. Das machte allen Stress sofort wett und nur noch glücklich.

Es waren übrigens 3 Jungen und ein Mädchen. Ich taufte sie Pippse, Puppse, Pepe und Pipita. Wobei Pippse der Kleinste war.

Die Wochen vergingen und die 4 entwickelten sich prächtig. Eigentlich hätten sie das Piepsen schon lange abgelegt haben müssen, aber davon war immer noch keine Rede, zumindest bei Pippse und Puppse nicht. Ich beobachtete das die zwei immer dicht beieinander gekuschelt lagen und auf der anderen Seite der Schlafbox, Pepe und Pipita ebenfalls. Die beiden waren aber so ganz anders wie Pippse und Puppse, eben richtige Igel. Morgens beim saubermachen wurde schon mal gefaucht und gebockt. Pippse und Puppse hingegen, standen auf 2 Beinen, an den Wänden kratzend und piepsten mir morgens schon entgegen wenn ich den Raum betrat.

Nach einer Weile trennte ich die 4 in 2-er Gruppen. Pepe und Pipita waren sich bald darauf nicht mehr „grün“ und es bekam jeder eine eigene Box. Pippse und Puppse hingegen waren, nach wie vor, unzertrennlich und immer wenn sie mich hörten, flitzten sie piepsend aus ihrer Box und standen auf 2 Beinen an den Wänden. Puppse hatte immer nur ein Ziel, er wollte auf den Arm, gekuschelt und herumgeschleppt werden. Nahm ich ihn heraus, kuschelte er sich an und schlief sofort ein. Pippse, der kleinere von beiden, wollte dann natürlich auch mit. Er war sowieso der Chef im Haus. Auch wenn er der kleinere war. Wahrscheinlich lag es daran, weil sein linkes Vorderbein eine zu kurze Elle hatte und Puppse nun meinte er müsse auf seinen kleinen behinderten Bruder aufpassen und sich deshalb auch von ihm alles gefallen lassen.

Die Zeit verging und Puppse hatte sein Gewicht zum Auswildern erreicht. Also nahm ich ihn abends aus dem Freigehege heraus und stellte ihn mit einer kleinen Schlafbox, die auch mit Toilettenpapier gefüllt war, mit Tränen in den Augen, an die Futterstelle. Bald darauf kam er heraus und untersuchte das Umfeld ganz entspannt. Er kannte natürlich schon alles, weil ich ihn und seinen Bruder des Öfteren dort hatte herumlaufen lassen. Nach einer Weile sagte ich ihm insgeheim „Tschüß mein Puppse, bis bald.“

Am nächsten Morgen ging ich ganz traurig zur Futterstelle, um die leere Box wegzuräumen. Da hatte ich aber falsch gedacht und umsonst getrauert, denn wer in der Box saß war mein Puppse. Mit Tränen in den Augen nahm ich ihn auf den Arm, nach kurzer Riech-Kontrolle, kuschelte er sich an und schaute mich mit seinen Kulleraugen an, als wollte er fragen:“ Warum hast Du mich denn da ganz allein in der Box gelassen?“ Ich nahm ihn den Tag über auf, um ihn am Abend wieder rauszustellen.

Am 2. Morgen, ich dachte, naja nun ist er aber sicher gegangen, wieder Fehlanzeige, Puppse lag wieder in seiner Box. Also das gleiche Spiel, tagsüber reingenommen, abends wieder rausgestellt. Am nächsten Morgen, ihr werdet es euch denken, …wieder lag Puppse schlafend in seiner Box. Also auf ein Neues und am Abend wieder an die Futterstelle gestellt. Jedesmal mit Tränen in den Augen.

An dem Abend saß ich noch mit Freunden auf der Terrasse, die sich etwa 10 Meter entfernt vom Freigehege befindet und von der Futterstelle noch weiter entfernt ist.

Als die Dämmerung einbrach, sagte meine Nachbarin plötzlich: „Du da klettert ein Igel am Freigehege hoch.“

Ich antworte: „Ja das ist Pippse, er vermisst seinen Bruder, den ich seit Tagen versuche auszuwildern und Pippse frisst zwischenzeitlich kaum noch etwas. Da muss ich mir schnellstens noch etwas überlegen“

„Nein!“ sagte sie, „schau doch mal, der Igel klettert von außen am Freigehege hoch.“

Ich war total irritiert, schaute zum Gehege und tatsächlich, es war Puppse, der statt seine Freiheit nun endlich zu genießen, von außen am Gehege hochkletterte um zu seinem kleinen Bruder Pippse zu gelangen.

Es brach mir das Herz. Das konnte ich jetzt nicht mehr mitansehen. Die letzten Tage waren für mich so schlimm gewesen. Pippse, der nicht mehr fressen mochte und andauernd an den Gehegewänden auf 2 Beinen stand, jeden Abend Tränen beim Herausstellen von Puppse, morgens dann die Ungewissheit, ist er jetzt weg, oder doch noch da…. Ich konnte es nicht mehr ertragen, nahm Puppse auf den Arm, öffnete das Freigehege und setzte ihn zu seinem Bruder Pippse wieder ins Gehege zurück.

Die beiden beschnüffelten sich, Pippse, der kleine Chef, machte zuerst „Kappe“. Kappe bedeutet, er zog die Nase Richtung Bauch, sodass man vorn nur noch seine kleinen Stacheln sah, also erst einmal Abwehrhaltung und dann schauen wer da ist.

Das dauerte aber nur ein paar Sekunden, denn er erkannte (erroch) das es sein Bruder war, der nun wieder da war und schon war das Paar wieder komplett und einer Meinung: „Wir sind jetzt mal weg!…nach dem Stress der letzten Tage!“ und gemeinsam verschwanden sie in ihrem Schlafhäuschen.

Nach etwa einer halben Stunde schaute ich ganz vorsichtig hinein und beide lagen, wie eh und je, aneinander gekuschelt und schliefen tief und fest. Am nächsten Morgen waren ihre Näpfe leer gefressen und beide hatten zugenommen.

Da war mir endgültig klar, dass ein einzelnes Auswildern der beiden nicht in Frage kommt.

In der darauffolgenden Woche fuhr ich mit beiden zu meinem Tierarzt, denn Pippse humpelte nicht mehr und die Vermutung lag nahe, dass seine anfangs verkürzte Elle aufgeholt hatte. Also wurde Pippse noch einmal geröngt und richtig beide Ellen waren nun gleich lang.

Nach einer weiteren Woche hatte auch Pippse das Auswilderungsgewicht erreicht.

Es mag albern klingen, denn natürlich hatte ich versucht den Abstand zu den beiden zu wahren, weil ich wusste, irgendwann wird der Abend kommen an dem ich sie gehen lassen muss. Aber dass es so schwer sein würde, die beiden, die mir wie Kinder ans Herz gewachsen waren, jetzt gleich an die Futterstelle zu setzen und zu wissen, dass sie jetzt zu zweit, am nächsten Morgen sicher nicht mehr da sein werden, war ein unbeschreiblich schlimmes und trauriges Gefühl!

Ich sagte mir, sicher hunderte Male an dem Tag: „Du darfst nicht egoistisch sein und sie behalten. Es ist Deine Pflicht sie gehen zu lassen….. und sicher kommen sie jeden Abend wieder an die Futterstelle…!“

Nun war DER Abend da und ich öffnete unter Tränen das Gehege, nahm beide noch ein letztes Mal auf den Arm, knuddelte sie, stellte ihre Schlafbox an die Futterstelle und setzte sie hinein.

Auch jetzt, wo ich diese Zeilen niederschreibe und es doch schon ein paar Jahre her ist, laufen mir wieder die Tränen.

Es dauerte nicht lange und wer kam natürlich als erster, mit der schnüffelnden Nase nach vorn, aus der Box …der kleine Chef Pippse! Kurz darauf, denn man kann ja seinen kleinen Bruder nicht allein lassen, auch Puppse.

Die nächste halbe Stunde, nur einige Zentimeter entfernt, folgte Puppse dem kleinen Pippse auf Schritt und Tritt! Pippse, mit seinem Bruder im Rücken, untersuchte und erkundete alles ganz entspannt.

Nach etwa einer weiteren halben Stunde fand er eine der Öffnungen im Zaun zu meinem Nachbarn. Das Loch wurde eingehend untersucht bevor er hindurch schlüpfte und ihm direkt am Po folgend sein großer Bruder Puppse. Ich sah sie noch schnüffelnd und sich bespeichelnd auch das Grundstück erkunden, immer mit dem Gedanken, sie würden ja Morgen Abend oder Übermorgen Abend wieder an der Futterstelle erscheinen und ich sie dann wiedersehen. Dies sollte aber nur eine Hoffnung bleiben. Ich habe die beiden nie wiedergesehen.

Für mich ein trauriges Ende, aber ich hoffe und glaube ganz ganz fest daran, dass sie, hier im Wald, noch ein schönes Leben hatten und sich fortpflanzen konnten.